»Organischer Bandsound entsteht wie ein gutes Gespräch« – Schlagzeuger Claus Hessler über Groove, Verantwortung und Zuhören.
Der Schlagzeuger Claus Hessler.
Claus Hessler ist einer der umtriebigsten und innovativsten Drummer Europas – bekannt für seine technische Brillanz, stilistische Vielfalt und seine besondere Art, Musik als lebendige Kommunikation zu verstehen.
Umso größer ist die Freude, dass Claus der BALTIC-JAZZ-ACADEMY für den Blog ein kurzes Interview gegeben hat – über Groove, Zusammenspiel und die Kunst, als Rhythmusgruppe wirklich musikalisch zu agieren.
In diesem Sommer ist Claus Hessler im Rahmen des Workshops BJA-22 | Bandspiel (Drums, Gitarre, Keyboard) mit Claus Hessler und CH3 – »Finde Deine eigene Stimme in der Musik!« bei uns in Lübeck zu Gast – gemeinsam mit seiner hochkarätig besetzten Band CH3. Ein echter Gewinn für alle, die ihr Zusammenspiel auf das nächste Level bringen möchten. Im folgenden Interview erfährst Du, was Claus über ein gelungenes Miteinander in der Band denkt.
Interview:
Claus, was macht für Dich den »magischen Moment« im Zusammenspiel einer Rhythmusgruppe aus – und wie kann man diesen gezielt herstellen?
Claus Hessler:
»Ganz wichtig: Hörfähigkeit herstellen bzw. verbessern als Voraussetzung für alles, was gemeinsam passieren soll. Heißt:
sich selbst zuhören
den anderen zuhören
checken, wie die Summe in Relation mit dem Song wirkt.
Dazu finde ich ein paar simple Regeln wichtig:
die Grundbereitschaft, Fehler zu machen.
sich auch mal trauen, ein paar Dinge anders zu machen, als sonst.
Dann können schon interessante Dinge passieren, es braucht eigentlich gar nicht so viel.«
Was ist Dir in Deinen Coachings für eine groovende Rhythm-Section besonders wichtig? Was bedeutet gutes Zusammenspiel konkret für die einzelnen Instrumente – und was ist für Dich der häufigste Denkfehler im Bandspiel?
Claus Hessler:
»Zuhören und reagieren. Schiefgehen kann natürlich immer was … z. B. denken sich Leute eigentlich hübsche Sachen aus, die dann aber mit dem Part der anderen Musiker*innen einfach nichts zu tun haben und sich nicht »verzahnen«. Manchmal muss man dann erstmal die Musik »entrümpeln« und Parts auf ihren eigentlich Charakter und die wesentlichen »Geschmacksträger« untersuchen: Was macht die Wirkung einer Komposition, eines Formteils, eines Grooves, einer rhythmischen Idee, einer Phrase aus? Wie könnte das noch besser zur Geltung kommen?«
Was können Drummer:innen, Bassist:innen und Pianist:innen voneinander lernen – und wie entsteht daraus ein organischer Band-Sound?
Claus Hessler:
»Ich finde es total wichtig, die Denkweisen der einzelnen Musiker*innen besser zu verstehen … und auch die Eigenheiten der jeweiligen Instrumente. Dabei ist es ziemlich wichtig, auch Dinge geschehen zu lassen und sich ab einer bestimmten Grenze nicht gegenseitig »reinzuquatschen« – weil man als Drummer dann letzten Endes doch nicht so komplett versteht, wie Gitarristen ticken. Und umgekehrt. Organischer Bandsound entsteht wie ein gutes Gespräch. Man hört sich zu, trägt Dinge bei, die für das Thema der Diskussion hilfreich sind und hält die Klappe, wenn man keine Ahnung hat. Oder sagt dann einfach, dass man keine Ahnung hat. :-)«
Wie gehst Du in Band-Coachings konkret vor, um aus Individualisten eine funktionierende Einheit zu formen?
Claus Hessler:
»Das hat in Teilen auch gar nicht so wenig mit Psychologie zu tun … in jeder Band gibt es ‘Alphatiere’, die auf unterschiedlichen Wegen Führungsrollen übernehmen: Entweder weil sie »es können« oder weil sie »es wollen« oder beides. Man kann schon viel bewirken, wenn man die Alphatiere manchmal zu etwas passiverer Position bewegen kann und die ‘Mitspieler’ zu aktiverem Agieren ermutigt. Idealerweise wird die Musik dafür einen Rahmen vorgeben bzw. Möglichkeiten definieren.«
Du arbeitest mit Musiker:innen aus Jazz, Pop, Groove, Fusion und Weltmusik. Gibt es übergreifende Prinzipien für gutes Zusammenspiel – oder ist wirklich jede Stilistik eine eigene Sprache?
Claus Hessler:
»Es gibt natürlich Aspekte, die einfach immer wichtig sind: Zuhören – sich trauen, ein Statement zu machen – Verantwortung in der Musik übernehmen – oder auch sich mal zurücknehmen. Prinzipiell ist aber jeder Stil so eine Art Dialekt derselben Sprache »Musik«. Um sich in dem »Dialekt« aber formulieren zu können, braucht es eine gewisse Kenntnis über standardisierte »Erwartungshaltungen« an die Musik und deren »Klischees« (im besten Sinne gemeint). Das hat dann idealerweise so eine kleine Audiothek im Kopf als Basis, damit man weiß, welche Dinge man üblicherweise eher tut (oder nicht tut).
Und manchmal ist auch eine Art Regelverstoß angezeigt, um in neues Fahrwasser zu kommen. Wobei man aber erstmal die Regel, dann die Ausnahme zelebriert. :-)«
Über Claus Hessler:
Claus Hessler zählt zu den international renommiertesten Schlagzeugern und Schlagzeugpädagogen Europas. Als Spezialist für Moeller-Technik, Open-Handed Playing und »kreatives Bandspiel« ist er weltweit gefragt – sei es als Live- und Studioschlagzeuger, Autor, Dozent oder Workshop-Leiter.
Sein Spiel zeichnet sich durch stilistische Vielseitigkeit, präzises Timing und einen unverwechselbaren musikalischen Ausdruck aus. Ob im Bereich »Jazz«, »Funk«, »Fusion« oder »Weltmusik« – Claus Hessler verbindet höchste technische Fertigkeit mit einem tiefen Verständnis für Groove und musikalische Kommunikation.
Als Autor zahlreicher Lehrwerke (»Open-Handed Playing«, »Daily Drumset Workout«, »Drumming Kairos« u. a.) hat er Generationen von Drummer:innen inspiriert und beeinflusst. Er ist zudem langjähriger Endorser für renommierte Marken wie Sonor, Sabian oder Vic Firth und regelmäßig Gast auf internationalen Drumfestivals und in Fachmagazinen.
Claus Hessler ist nicht nur ein Ausnahme-Drummer, sondern auch ein leidenschaftlicher Lehrer, der es versteht, komplexe Inhalte verständlich und praxisnah zu vermitteln. Mit seinem Power-Trio CH3 bringt er sein musikalisches Können auf die Bühne – und in Workshops wie »BJA-22 | Bandspiel mit CH3« direkt zu den Teilnehmenden.